Little Joe

von

Faszinierender Science-Fiction-Film über eine Pflanze, die eine ungewöhnliche Wirkung hat.

Alice leitet mit großem Einsatz ein Team von Pflanzenzüchter_innen in einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von neuen Pflanzensorten spezialisiert hat. Ihre neueste Schöpfung ist eine purpurrote Blume, die nicht nur besonders schön ist, sondern auch noch eine therapeutische Wirkung hat: Wenn man sie bei der idealen Temperatur hält, regelmäßig gießt und mit ihr spricht, macht die Pflanze ihren Eigentümer glücklich. Alice ist außerdem alleinerziehende Mutter. Obwohl es gegen die Regeln des Unternehmens verstößt, nimmt Alice eines Tages ein Exemplar mit nach Hause. Sie schenkt es ihrem Sohn Joe, und gemeinsam taufen sie die Topfpflanze »Little Joe«.
Doch in der Arbeit sorgt die neueste Züchtung nicht nur für Begeisterung: Alice‘ Arbeitskollegin Bella äußert sich besonders skeptisch. Ihr geliebter Hund Bello war für eine Nacht mit den Pflanzen im Gewächshaus eingesperrt, seitdem benimmt sich der Hund seltsam, behauptet Bella. Sie macht Little Joe dafür verantwortlich. Könnte da etwas dran sein? Denn auch Alice‘ Assistent Chris hat die Pollen der Pflanze eingeatmet. Verhält er sich seitdem etwa anders? Noch vor Kurzem hat er seine ganze Aufmerksamkeit Alice gewidmet, doch neuerdings scheint er plötzlich mehr damit beschäftigt zu sein, Little Joe zu beschützen.
Schließlich beginnt sich Alice auch über ihren Sohn zu wundern, den originalen Joe. Er ist aufsässig geworden und distanziert sich immer mehr von ihr. Führt er sich nur so auf, um die Aufmerksamkeit seiner arbeitswütigen Mutter zu erheischen? Handelt es sich nur um einen pubertären Hormonschub? Oder ist er ebenfalls von Little Joe mehr beeinflusst, als Alice lieb sein kann? Bella stellt die Theorie auf, dass die Pflanze darauf reagieren könnte, dass sie gezielt als nicht vermehrungsfähig gezüchtet wurde. Die Pflanze könnte versuchen, neue Wege der Reproduktion zu entwickeln. In diesem Sinne wäre es schließlich eine erfolgversprechende Strategie, einen Krankheitserreger zu verbreiten, der die Menschen mit einer Art emotionaler Demenz infiziert. Die Befallenen wären in Folge nur noch damit beschäftigt, Little Joe zu beschützen und sich dabei gleichzeitig so zu verhalten, als wäre nichts geschehen. Bella wird natürlich nicht müde, Alice daran zu erinnern, dass letztendlich nicht die Pflanze dafür verantwortlich zu machen wäre, sondern Alice selbst. Chris wiederum erinnert Alice daran, dass Bella psychische Probleme hat, und stellt ihre Zurechnungsfähigkeit infrage. Wer ist also infiziert? Wem soll Alice glauben?

REGIESTATEMENT:
Die Grundidee hinter der Geschichte ist, dass jeder Mensch ein Geheimnis in sich trägt und verbirgt, das vom Außen niemals gänzlich erfasst werden kann, nicht einmal von dem Menschen selbst. Das Fremde in uns kommt unerwartet zum Vorschein und macht das Gewohnte plötzlich unheimlich. Jemand, den wir kennen, erscheint uns plötzlich fremd. Nähe entwickelt sich zu Distanz. Die Sehnsucht nach Einverständnis, Empathie und Symbiose mit einem anderen Menschen bleibt unerfüllt.
In diesem Sinne ist LITTLE JOE eine Parabel über das Fremde in uns selbst. Greifbar wird diese Idee durch die Pflanze, die offenbar Menschen verändern kann. Auch wenn wir eine Verbindung für selbstverständlich und sicher gehalten haben, kann diese Entfremdung zu einem Verlust führen.

__ Es ist eine irre, faszinierende Mischung aus LITTLE SHOP OF HORRORS und INVASION OF THE BODY SNATCHERS, welche Jessica Hausner hier in hypermoderne Bilder gießt. – Sennhausers Filmblog

Spielzeiten und Tickets

Derzeit keine Termine.

AT 2019, 105 min, R: Jessica Hausner, B: Jessica Hausner, Geraldine Bajard, K: Martin Gschlacht, S: , D: Emily Beecham, Ben Whishaw, Kerry Fox, Kit Connor, David Wilmot, Phénix Brossard